„Projekt Naturarbeit“ (Rückenwind e.V.)

Pädagogisch begleitete Arbeitsleistungen im Rahmen des Jugendstrafverfahrens. Jugendliche leisten in diesem Projekt mit ökologischer Umgestaltung von Kita-Außenflächen und Bachrenaturierungsvorhaben die vom Jugendgericht für einen bestimmten Zeitraum (4 – max. 12 Tage) angeordneten Arbeitsleistungen (AL) im Naturschutzbereich ab; sie werden dabei fachkundig von Sozialpädagogen betreut, die sich mit dem NABU u.a. Naturschutzverbänden in Hamburg über die ökologischen Vorhaben abstimmen. Das Projekt ist eine Kooperation des Freien Trägers Rückenwind e.V. mit der Jugendgerichtshilfe, der Gartenbauabteilung des Bezirksamtes Hamburg-Mitte und dem NABU e.V. (Naturschutzbund Hamburg).

Projektleitung: Carsten Hüttmann-Verein Rückenwind e.V.

Webseite: www.rueckenwind-hamburg.de

 

Die Bachrenaturierungsarbeiten orientieren sich an der von der Europäischen Union festgelegten EU-Wasserrahmenrichtlinie.

bild-rueckenwind-3

bild-rueckenwind-1bild-rueckenwind-2

Die rechtliche Grundlage der Arbeit bildet das Jugendgerichtsgesetz, das den Vorrang des Erziehungsgedankens vor dem Bestrafungsgedanken postuliert.

Ziel des „Projektes Naturarbeit“:

Nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz sollen straffällig gewordene junge Menschen außerschulische Bildungsangebote erhalten, die sie zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement motivieren; hier setzt das „Projekt Naturarbeit“ an, da besonders die naturkundliche Bildungsarbeit Sozialisationshilfe leisten kann. Die Mitarbeiter wollen die Einstellung der Jugendlichen zur Arbeit positiv beeinflussen und/oder i. S. einer symbolischen Wiedergutmachung zum Zwecke des Schuldausgleichs auf sie einwirken. Ausdrücklich gewünscht ist, dass sich die Jugendlichen freiwillig am „Projekt Naturarbeit“ beteiligen.

Der Verein Rückenwind stellt sicher, dass die Jugendlichen bei ihren AL pädagogisch begleitet werden, dass sie die AL ohne lange Wartezeiten beginnen und ableisten können, auch an Wochenenden, und dass sie eine Arbeit leisten, die als sinnvoll erlebt werden kann. Hierzu trägt bei, dass in einer Gruppe gearbeitet wird und dass die Arbeit Bezug zu Aspekten von Natur und Naturschutz hat, mit dem viele Jugendliche auf diese Weise erstmalig in Berührung kommen.

Ein besonderes Augenmerk hat die Stiftung auf die Frage der Evaluation der verhängten AL mit dem Ziel, Aussagen zur Wirksamkeit der angeordneten AL bzgl. der Sozialprognose der jungen Menschen zu ermöglichen.

Um die konkreten Auswirkungen der pädagogisch begleiteten Arbeitsleistungen im durch den Verein bevorzugten Handlungsfeld der Umweltarbeit zu ermitteln, wurde im Jahr 2010 eine Erhebung bei 36 jungen Menschen hinsichtlich ihrer weiteren strafrechtlichen Entwicklung durchgeführt. Die Erhebung lief nur über einen Zeitraum von einem Jahr, damit die Jugendlichen statistisch erkennbar bleiben und ihre Daten nicht möglicherweise in der Erwachsenenstatistik verloren gehen.

Die statistische Erhebung zur Rückfallhäufigkeit („Wirksamkeit“ der verhängten Maßnahmen) erbrachte folgendes Ergebnis: von 196 in der Statistik zwischen Januar und Dezember 2010 erfassten Jugendlichen wurden 45 erneut straffällig, das entspricht knapp 23 %. Ein Vergleich der im Naturbereich und in anderen Einsatzbereichen tätigen Jugendlichen erbrachte keinen signifikanten Unterschied.

Die erhobenen Daten können nur eine Orientierung geben, da die verwendete Software (Software des Jugendamtes -PROJUGA) als Erhebungsinstrument mit Unsicherheitsfaktoren behaftet ist und wissenschaftlicher Kritik nicht gewachsen ist. Die Zuverlässigkeit der zugrunde liegenden jugendamtlichen Daten ist zu gering, denn PROJUGA wurde nicht zur Erfassung der Rückfallquote entwickelt. Tatsächlich ist eine Rückfallquote von 38 % bis 40 % realistisch.

Trotzdem findet die Statistik sowohl bei der Jugendgerichtshilfe als auch bei der Justiz Interesse und, unter den o. g. Vorbehalten, auch wohlwollende Aufmerksamkeit. Nach einer Software-Umstellung im Fachamt Straffälligen- und Gerichtshilfe sollen aussagefähigere Daten vorliegen.

Ab Anfang des Jahres 2015 werden sich zwei Studierende im BA-Studiengang dem Thema „pädagogisch begleitete Arbeitsleistungen“ widmen.

Anmerkung: Auf dem letzten Jugendgerichtstag in Nürnberg im September 2013 wurde der geschäftsführende Vorstand der Deutschen Vereinigung Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e. V. (DVJJ) beauftragt, sich zeitnah und intensiv mit den ambulanten Maßnahmen im Bereich der Jugendgerichtshilfe zu befassen. Zu diesem Zweck werden alle Informationen aus dem Bereich Arbeitsleistungen in der Zentrale in Hannover zusammengeführt und bearbeitet. Der Projektleiter von „Naturarbeit“, Carsten Hüttmann, bringt als Vorstandsmitglied der Regionalgruppe Nord im DVJJ seine Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Arbeit mit den Jugendlichen in den Prozess mit ein.

Abschlussbericht für die Dürr-Stiftung zum „Projekt Naturarbeit“ (Carsten Hüttmann):

Auszug aus dem Bericht mit folgenden Ergebnissen:

  1. Durch die Förderung der Dürr-Stiftung konnte für den Verein Rückenwind e.V. ein neues Arbeitsfeld vor dem Hintergrund der Umsetzungsphase der EU-Wasserrahmenrichtlinie erschlossen werden.

Rückenwind e.V. hat 2011 offiziell die Patenschaft für den Schleemer Bach in Hamburg im Bezirk Mitte und Wandsbek übernommen und macht damit deutlich, dass die Fortführung der Renaturie-rungsmaßnahmen ein fester Bestandteil der Arbeit des Vereins geworden ist.

  1. Durch Kooperationen in verschiedenen Projekten pflegte und pflegt Rückenwind e.V. gute Kontakte zu den Naturschutzverbänden NABU und BUND. Während der Umsetzungen der Maßnahmen zeigten sich die Mitarbeiter der verantwortlichen Bezirksämter Mitte und Wandsbek stets aufgeschlossen und kooperativ, so dass sich über die Jahre ein vertrauter Umgang ergab, der große Spielräume bei der Umsetzung der Maßnahmen mit den Jugendlichen hervorbrachte.

Der regelmäßige Erfahrungsaustausch und gemeinsame Begehungen vor Ort ließen Zweifel, ob des Sinns und der Umsetzbarkeit der Maßnahmen, schnell verblassen.

  1. das Schleemer Bach Projekt stellt ein gutes Beispiel dar, in welche Richtung Renaturierung gehen kann, und hat damit seinen Teil zum Umdenken der Verantwortlichen beigetragen. Wenige andere Renaturierungsprojekte in Hamburg konnten über einen so langen Zeitraum regelmäßig vorangetrieben werden. Durch die gute Vernetzung des Projektes konnten mittlerweile viele Erfahrungen und Anwendungen weitergegeben und an anderen Gewässern realisiert werden.
  1. Ein großer Vorteil des Projektes gegenüber denen, die von kommerziellen Firmen durchgeführt wurden, liegt  in der dauerhaften Anwesenheit des Vereines vor Ort, wodurch eine sanfte Durch-führung möglich wurde. Die Maßnahmen wurden Stück für Stück umgesetzt, und nach einer Weile häufig erweitert, so dass die Störungen im Gewässer gering gehalten werden konnten.
  1. Die bisherigen Maßnahmen haben eine eigendynamische Entwicklung des Gewässers initiiert, die die Gewässergüte auf ein höheres Niveau gehoben haben, so dass anspruchsvollere Arten einen neuen Lebensraum haben finden können. Es bleibt, die zukünftigen Entwicklungen aktiv anzugehen und parallel zu beobachten, welche Arten nun von alleine ihren Weg in den Schleemer Bach finden.
  1. Bedingt durch das Einzugsgebiet von Rückenwind e.V. liegt der Schleemer Bach im Wohnquartier eines Großteils der Jugendlichen, und bietet ihnen die Möglichkeit aktiv gestaltend Einfluss zu nehmen. Eine Erfahrung, die für viele neu ist, ein positives Selbstverständnis hervorbringt und einen Gegensatz zu den Erfahrungen mangelnder Selbstwirksamkeit in der Alltäglichkeit sozialer Brennpunkte bildet.

Beispiel eines Projektes zur Bachrenaturierung, dargestellt aus ökologischer Sicht: